Für Verpflichtungen, die aus der Reklamation von verkauften Produkten entstehen, sind Rückstellungen zu bilden. Diese Rückstellung wird Rückstellung für Reklamationen und Schadenersatz, Garantierückstellung oder Gewährleistungsrückstellung genannt. Der Grund dafür liegt in dem bereits erfolgten Ereignis, dem Verkauf eines defekten Produktes. Dies gilt auch, wenn zu diesem Zeitpunkt weder dem Verkäufer noch dem Käufer bekannt ist, dass das Produkt defekt ist. Aber auch wenn beiden bekannt ist, dass das verkaufte Produkt defekt war und die Reklamation beim Verkäufer bereits eingegangen ist, kann die Ersatzlieferung oder die Erstattung des Kaufpreises noch ausstehen. In diesem Fall sind dann die zu erwartenden Aufwendungen aus den tatsächlichen Fällen zurückzustellen. Dies betrifft sämtliche Aufwendungen, wie zum Beispiel Ersatzlieferungen, Transportkosten für Retouren, Entschädigungen für Nutzungsausfälle oder Schadenersatz für verursachte Folgeschäden.
Für aktuelle Verkäufe, auch solche, bei denen die Auslieferung der Ware noch gar nicht erfolgt ist, durch eine Vorauszahlung der Umsatz aber schon realisiert wurde, sind die zu erwartenden Reklamationen zu schätzen. Dies können zum Beispiel 1,5 % vom Umsatz sein. Nicht zurückzustellen sind zu erwartende Reklamationen aus zukünftigen Umsätzen, bspw. wenn ein Kaufvertrag zwar kurz vor dem Abschluss steht, aber noch nicht endgültig unter Dach und Fach ist oder sowohl Kaufpreiszahlung als auch Warenlieferung noch ausstehen.
Die Daten zur Ermittlung dieser Werte sind aus den Daten der Vergangenheit, Reklamationsstatistiken und ähnlichem zu entnehmen.
In Deutschland wird von den Finanzbehörden ein pauschaler Ansatz von 0,5 % vom Nettoumsatz ohne weiteren Nachweis akzeptiert. Es empfielt sich aber dennoch, die Schadenersatzquote für das jeweilige Unternehmen zu ermitteln. Liegt diese unter 0,5 % vom Nettoumsatz, kann natürlich der pauschale Prozentsatz angesetzt werden. Anderenfalls empfielt sich der unternehmensindividuelle Prozentsatz.
Die Verbuchung dieser Rückstellung erfolgt über ein eigens dafür vorgesehenes Aufwandskonto.
In einem Unternehmen stellt man fest, dass im ersten Monat nach dem Verkauf von Waren etwa 60 % aller Reklamationen eingehen. Im zweiten Monat sind dies etwa 30 %. Die übrigen 10 % folgen in den darauffolgenden Monaten.
Der Jahresumsatz im Vorjahr betrug 50 Mill. G. Der Aufwand für diese Gewährleistungen betrug 50 000 G. Vom Konto für Schadenersatzaufwendungen wurden bereits Zahlungen, die das Unternehmen für zwei Unfälle mit dem Firmen-Pkw leisten musste, herausgerechnet, so dass nur noch die Zahlungen im Zusammenhang mit verkauften Produkten enthalten sind. Darüber hinaus wurden für 1,4 Mill. G Verkaufswert Waren kostenlos an Kunden versandt. Kostenlose Lieferungen als Produktproben und zu Werbezwecken sind von unbedeutender Größe, so dass alle kostenfreien Lieferungen als Ersatzlieferung gewertet werden können. Der für das Unternehmen eingetretene Schaden durch Ersatzlieferungen besteht allerdings nur in Höhe der Herstellungskosten, also ohne der entgangenen Gewinne aus den Verkäufen. Die Herstellungskosten der kostenlos versandten Waren betrugen 950 000 G. Die Schadenersatzquote aus den Warenverkäufen betrug also (950 000 G + 50 000 G) ÷ 50 Mill. G = 2,0 %. Diese Schadenersatzquote ergibt sich ebenfalls, wenn der Durchschnitt der letzten drei Jahre betrachtet wird.
Für den November sind bis Jahresende schon voraussichtlich 60 % aller Reklamationen eingegangen, so dass nur noch 40 % fehlen. Die noch fehlenden Reklamationen für die Verkäufe aus den Monaten zuvor, liegen im einstelligen Prozentbereich und addieren sie zu ca. 23 % auf. Dieser Wert wird der Einfachheit halber auf den November mit aufgeschlagen, so dass hier mit 63 % fehlender Reklamationen gerechnet wird. Natürlich kann auch eine Berechnung über die Vormonate erfolgen, vor allem, wenn die saisonalen Schwankungen recht groß sind. Hier muss jedoch auch für jedes Unternehmen jeweils der Nutzen aus der eventuell gewonnenen Genauigkeit und dem zusätzlichen Aufwand berücksichtigt werden. Dabei ist zu beachten, dass die gesamte Rechnung nur eine Schätzung darstellt, da der exakte Wert ohnehin erst im Laufe des folgenden Jahres festgestellt werden kann.
Die noch fehlenden Schadensersatzbeträge betragen für den Monat November (einschließlich Vormonate) 3,78 Mill. G (Umsatz November) × 2,0 % × 63 % = 52 391 G und für den Monat Dezember 3,36 Mill. G (Umsatz Dezember) × 2,0 % × 100 % = 67 200 G. Die Summe aus beiden Werten ergibt damit den Rückstellungsbetrag von 119 591 G also ≈ 120 000 G. Zusätzlich sind, sofern nicht bereits geschehen, alle Fälle zurückzustellen, bei denen die Reklamation schon eingegangen ist, die Erstattung des Kaufpreises oder die Ersatzlieferung aber noch nicht erfolgt ist. Soll eine Ersatzlieferung erfolgen, sind die Herstellungskosten der Ersatzlieferung, Verpackungskosten, die Frachtkosten und eventuell weitere zu erwartende Aufwendungen zurückzustellen. Bei Rückzahlungen des Kaufpreises ist der Kaufpreis ohne Umsatzsteuer zurückzustellen. Die zu erstattende Umsatzsteuerzahlung ist mit den Verbindlichkeiten gegenüber dem Finanzamt zu korrigieren.