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Planung der Bilanz - idealtypisches, produzierendes Unternehmen (NWC)

Die Planung einer Bilanz setzt auf der Planung der Gewinn- und Verlustrechnungen und der Bilanzen der Vergangenheit auf. In unserem Fall haben wir jedoch weder eine geplante Gewinn- und Verlustrechnung, noch existierende Bilanzen. Ein solcher Fall kann bei der Erstellung eines Geschäftsplanes für ein neu zu gründendes Unternehmen sein. Das hier skizzierte Vorgehen zeigt dabei grundsätzliche Herangehensweisen und muss in der Praxis deutlich detaillierter erfolgen.

Für unser Planungsbeispiel soll eine Bilanz und eine Gewinn- und Verlustrechnung in der nachstehend dargestellten Struktur erstellt werden. Diese Bilanz bildet die Grundlage für die Diskussion und die Beispiele beim Thema Net Working Capital (NWC). Hier werden für das Anlagevermögen und das Eigenkapital keine detaillierten Werte benötigt, dagegen jedoch bei den Unterpositionen des Umlaufvermögens und des Fremdkapitals. Zusätzlich wird eine einfache Struktur einer Gewinn- und Verlustrechnung notwendig.
Beim Nachrechnen der Zahlen ist zu beachten, dass wir an einigen Stellen gerundet haben, um glatte Beträge zu erhalten.

Bilanz - idealtypisches Unternehmen:
AktivaPassiva
Anlagevermögen1.000Eigenkapital400
UmlaufvermögenFremdkapital
Vorräte350Rückstellungen350
Forderungen (LuL)200Darlehen500
sonstige Forderungen210kfr. Verb. ggü. Kreditinstituten50
Zahlungsmittel240
erhaltene Anzahlungen0
Verbindlichkeiten (LuL) 100
sonstige Verbindlichkeiten600
2.0002.000

Das Anlagevermögen wird mit 1.000 G angenommen. Diese Position müsste entweder detailliert durch die Auflistung und Bewertung der einzelnen Anlagegüter oder die Ableitung aus schon bestehenden Bilanzen erfolgen. Für unsere Zwecke reicht jedoch diese Annahme. Das Anlage- und das Umlaufvermögen sind oft ähnlich groß. Dadurch rechnen wir mit einer Bilanzsumme von etwa 2.000 G. Für die Planung der weiteren Positionen wird die Gewinn- und Verlustrechnung benötigt.

Die Umsatzerlöse sind in vielen Fällen etwa halb so hoch bis etwa so hoch, wie die Bilanzsumme. Die Umsatzerlöse würden wir also mit etwa 2.000 G ansetzen. Da wir jedoch eine Zahl haben möchten, die sich gut durch 12 Monate teilen lässt, haben wir den Wert mit 2.400 G angenommen. In der Praxis müsste der Markt und die Marktentwicklung abgeschätzt werden. Danach müsste geschätzt werden, in welchem Maße unser Unternehmen in der Lage sein wird, den Markt zu bedienen, bzw. welchen vermutlichen Marktanteil man ansetzen könnte. Oft wird dabei von Unternehmensberatungen bei neu zu gründenden Unternehmen auf Erfahrungswerte mit anderen Unternehmen zurückgegriffen. Bei bestehenden Unternehmen werden meist die Umsatzerlöse der Vergangenheit herangezogen und dann ein geschätztes Wachstum aufgeschlagen. Diese können sich auch aus der Vergangenheit ableiten. In einigen Branchen gibt es auch Zusammenhänge mit anderen Größen, bspw. kann man an der Entwicklung der Verkäufe und Stillegung von Kraftfahrzeugen den zukünftigen Verbrauch an den Kraftstoffen Diesel und Benzin ableiten oder an der Bevölkerungsentwicklung und der Geburten von Kindern kann der Markt für Babynahrung oder Babykleidung abgeleitet werden. Teilweise gibt es auch Zusammenhänge zur gesamtwirtschaftlichen Entwicklung oder ähnlichen Größen. Der Marktanteil für das eigene Unternehmen ändert sich meist nur wenig, also unter 1 %-Punkt bis sehr wenige %-Punkte. Hier gibt es aber für jede Branche eigene Spielregeln und Herangehensweisen.

Gewinn- und Verlustrechnung -
idealtypisches Unternehmen:
+Umsatzerlöse2.400
+Bestandsveränderungen0
-Materialaufwand900
-Personalaufwand1.000
-andere Aufwendungen210
-Abschreibungen200
-Zinsen30
=Jahresüberschuss60

Der Materialaufwand müsste aus der Planung der Produktion und der Kalkulation der Produkte ermittelt werden. In der Industrie werden aber oft Größen von etwa 25 % bis 40 % Materialaufwandsquote (Materialaufwand ÷ Umsatzerlöse) erreicht. Wir haben den Materialaufwand auf eine Quote von nicht ganz 40 % angesetzt und kamen daher auf den Wert 900 G. Der Personalaufwand liegt oft bei 40 %, wir haben daher den Wert mit 1.000 G angenommen. Die anderen Aufwendungen, meist Aufwendungen für Marketing, Reisekosten und Mieten, liegen bei uns bei etwa 10 % vom Umsatz. Diese waren in der Aufstellung des Beispiels eine Ausgleichsgröße, um am Ende noch etwas Gewinn übrig zu haben. Oftmals wird von den Unternehmen hier gern angepasst, da sich gerade bei Aufwendungn für Marketing und Werbung schnell größere Beträge sparen lassen. Leider geht dies aber immer wieder zu Lasten der langfristigen Reputation und Bekanntheit der Unternehmen, was bei den oft kurzfristigen Entscheidungen der Unternehmer aber immer wieder gern vergessen wird.

Die Abschreibungen leiten sich aus dem Anlagevermögen ab. Häufige Abschreibungsdauern sind 3 Jahre für technische Geräte und IT-Ausstattung, 7 Jahre für technische Anlagen und Maschinen und 25 Jahre für Gebäude. Wir haben in unserem Beispiel die durchschnittliche Abschreibungsdauer für unsere Anlagen und Gebäude mit 5 Jahren geschätzt und kamen daher auf Basis des Anlagevermögens auf 200 G. Die Zinsen ergeben sich aus den Darlehen und den kurzfristigen Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten. Diese Position haben wir nach dem Aufstellen der Bilanz ermittelt. Wir haben angenommen, dass sich unser Unternehmen für einen Zinssatz von etwa 5 % bei den Banken finanzieren kann.

Die Bilanzposition Vorräte beinhaltet Rohstoffe, Betriebsstoffe, Halbfertigprodukte und fertige Waren. Der durchschnittliche Bestand kann aus dem Anfangsbestand plus Endbestand geteilt durch zwei geschätzt werden. Der Anfangsbestand kann mit Null angesetzt werden, weil am Anfang die Rohstoffe erst einmal gekauft und die Waren erst einmal produziert werden müssen. Dass Unternehmen wird natürlich eine kontinuierlich laufende Produktion haben. Dies ändert aber an der Berechnung nichts. Die laufende Produktion kann man in einzelne Chargen oder die Produktion der einzelnen Produkte aufgliedern. Bei der Einzelbetrachtung kommt man immer wieder zu dem Ergebnis von Anfangsbestand plus Endbestand geteilt durch zwei. Summiert man die Chargen oder die einzelnen Produkte auf, kommt man auf einen Gesamtlagerbestand von Gesamtanfangsbestand plus Gesamtendbestand geteilt durch zwei. Der Anfangsbestand ist damit immer wieder Null. Der Gesamtendbestand ist im Umsatz ablesbar, weil dieser am Ende aus den fertigen Waren besteht und diese komplett verkauft werden sollten. Natürlich müsste der Gewinnnteil abgezogen werden. Im Umsatz sind alle Positionen für Materialaufwand, eigene Leistungen des Personals usw. enthalten, da sonst die Firma Verluste einfährt. Letzten Endes liegen alle Produkte mit ihren Herstellkosten vor dem Verkauf auch meist auf Lager bzw. liegen auch zwischenzeitlich immer wieder als Halbfertigprodukte dort. Grundsätzlich müssen die Rohstoffe, Rohprodukte und Produkte aber nicht einmal im Lager liegen, um als Vorräte erfasst zu werden. Erfasst werden sie im Zeitpunkt des Einkaufs der Rohstoffe bzw. mit der laufende Produktion und gehen mit dem Verkauf erst wieder ab. Ob sich die Waren nun zwischenzeitlich in der Produktionshalle oder vielleicht zum Transport auf einem Lkw befinden, ist für die Bilanz egal. Wir haben nun noch angenommen, dass unsere Produktion bis zum Verkauf der Waren etwa 3 Monate benötigt. In einem Produktionszeitraum muss soviel produziert werden, wie in diesem Zeitraum auch verkauft wird, sonst baut man entweder Lagerbestände auf oder ab. In unserm Beispiel berechnet sich der Lagerbestand von 350 G nun aus (Anfangsbestand (= 0) + Endbestand (= Umsatzerlöse ÷ 12 Monate × 3 Monate Produktionslaufzeit)) ÷ 2 = 300 G. Zusätzlich haben wir einen Sicherheits- bzw. Grundbestand im Lager von 50 G berücksichtigt.

Die Forderungen aus Lieferungen und Leistungen (Forderungen LuL) ergeben sich aus den Umsatzerlösen. Alles, was auf Rechnung verkauft wird, wird zu Forderungen aus Lieferungen und Leistungen. Davon werden typischerweise 70 % innerhalb der ersten 30 Tage bezahlt. Nach 60 Tagen sind meist 90 % bezahlt, nachdem man die eine oder andere Erinnerung geschrieben hat. Nach 90 Tagen kann man davon ausgehen, dass alles bezahlt ist, was bezahlt werden wird. Alle Beträge, die niemals bezahlt werden, weil der Kunde pleite ist, verschwindet, sich ins Ausland absetzt oder was auch immer, wird unter der Position Forderungsverluste in der GuV geplant. Diese Fälle betrachten wir hier aber nicht. Jetzt muss man aber noch berücksichtigen, dass die Rechnungen, die am Ende des Monats geschrieben werden, sich im Umsatz wiederfinden, die Zahlungsfrist von meistens 10 Tagen aber immer noch läuft oder der Brief mit der Rechnung noch gar nicht beim Kunden angekommen ist. Wenn man allerdings eine so glatte Verteilung der Umsatzerlöse über die Monate hat, wie in unserem Fall, betragen die Forderungen aus Lieferungen und Leistungen gleich einem Monatsumsatz abzüglich aller Rechnungen, die im gleichen Monat noch bezahlt werden. Im gleichen Monat werden abhängig von der Branche etwa 10 % bis 40 % vom Monatsumsatz schon bezahlt, wir haben diesen Betrag aber mit 0 % angesetzt.

Die sonstigen Forderungen beinhalten im Wesentlichen die Forderungen gegenüber dem Finanzamt aus der Vorsteuer. Diese berechnen sich aus 19 % Vorsteuerabzug vom Materialaufwand + 19 % Vorsteuerabzug aus den anderen Aufwendungen. Zu berücksichtigen wären natürlich auch reduzierte Steuersätze für einzelne Positionen, wie 7 % bei Büchern, oder eine Vorsteuer von 0 %, bspw. bei Briefmarken der Deutschen Post.

Die Zahlungsmittel ergeben sich aus den übrigen Positionen. Natürlich könnte man auch diese genau planen, jedoch ist das gesamte Planungskonstrukt meist ungenau, so dass die Position gern auch als Ausgleichsposition genutzt wird. Das Eigenkapital beträgt in Deutschland etwa 10 % im Baugewerbe bis 30 % im verarbeitenden Gewerbe gemessen an der Bilanzsumme. Wir haben diese Eigenkapitalquote mit etwa 20 % angesetzt und kamen auf ein Eigenkapital von 400 G. Die Rückstellungen, Darlehen und kurzfristigen Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten sind auf Basis von Erfahrungswerten geschätzt. Diese unterscheiden sich stark von Unternehmen zu Unternehmen. Gerade die Finanzierung mit kurzfristigen Darlehen von Kreditinstituten ist bei einigen Unternehmen stark ausgeprägt. Diese nennt man rollierende Darlehen oder rollierende Kredite. Hier werden jedes Jahr die alten Darlehen durch neue Darlehen mit kurzer Laufzeit ersetzt. Da diese Form der Finanzierung mit hohen Risiken verbunden ist, meiden viele andere Unternehmen diese Möglichkeit. Auch die Rückstellungen schwanken stark von Unternehmen zu Unternehmen, bspw. weil die einen eine Betriebsrente zahlen und damit Pensionsrückstellungen haben und andere nicht. Erhaltene Anzahlungen haben wir in diesem Beispiel nicht.

Die Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen ergeben sich aus Rechnungen für Material und andere Aufwendungen. Zwar basieren die Rechnungen für Material eigentlich auf den Lagerzugängen von Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen, da aber bei konstantem Lagerbestand alles was aus dem Lager herausgenommen wird auch wieder hineingetan werden muss, kann man auch die Position Materialaufwand als Richtgröße nehmen. Wir nehmen an, dass wir unsere Rechnungen im Schnitt nach 30 Tagen bezahlen. Daher betragen unsere Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen in etwa den Wert von Materialaufwand plus andere Aufwendungen geteilt durch 12 Monate. Die sonstigen Verbindlichkeiten beinhalten unter anderem Verbindlichkeiten gegenüber dem Finanzamt bspw. für die Mehrwertsteuer und die Lohnsteuer. Die SV-Beiträge müssen zum Monatsende schon bezahlt sein. Je nach Gehaltshöhe der Mitarbeiter muss man je nach Branche in etwa 20-40 % der Aufwände für Löhne und Gehälter als Lohnsteuer ansetzen. Wir haben 30 % angenommen. Bei den Verbindlichkeiten für die Mehrwertsteuer sind 19 % auf den Anteil vom Umsatz anzusetzen, der steuerpflichtig ist und natürlich dem vollen Steuersatz unterliegt. Wir haben einen steuerpflichtigen Inlandsumsatz von etwa 1.580 G angenommen, der übrige Teil ist Umsatz aus Exportgeschäft und ist nicht steuerbar, ist also ohne Mehrwertsteuer.