Die Einträge in den amtlichen AfA-Tabellen basieren auf Erfahrungswerten, welche die Finanzämter in Deutschland bspw. über Betriebsprüfungen oder Verbände erhalten haben. Da so gut wie alle größeren Unternehmen einer Betriebsprüfung unterzogen werden, ergibt sich dadurch natürlich eine enorme Datenmenge. Allerdings sind die daraus ermittelten durchschnittlichen Nutzungsdauern auch wirklich nur Durchschnittswerte. Zudem sind die Tabellen schon relativ alt, sie stammen aus den Jahren 1989 bis 2001. Die für das jeweilige Unternehmen geltenden Werte können daher je nach Branche, Schichtbetrieb, Qualifikation der Mitarbeiter, verarbeiteten Materialien, technischen Fortschritt usw. von den Werten der amtlichen Tabellen abweichen.
Die amtlichen AfA-Tabellen haben für die Finanzämter in Deutschland den Charakter einer Dienstanweisung. Sie können also von sich aus ohne Weiteres nicht davon abweichen. Für die Begründung einer Abweichung sind ihnen damit sehr hohe Hürden gesetzt. Für die Unternehmen sind sie allerdings nicht als Vorgabe zu verstehen, sondern vielmehr als Anhaltspunkt für ihre eigene Schätzung. Sie gelten als „Angebot“ an den Steuerpflichtigen für eine Einigung auf einen Wert¹⁾. Gerade bei Anlagen, die in einem Unternehmen nur in geringen Stückzahlen vorhanden sind, ist eine Orientierung an offiziellen Durchschnittswerten aber sinnvoll. Bessere Erkenntnisse als auf Basis der enormen Datenmenge der Finanzämter müssen sowohl steuerrechtlich als auch handelsrechtlich schon sehr stichhaltig sein, da eine Abweichung von den Tabellen gegenüber dem Finanzamt, aber auch gegenüber dem Wirtschaftsprüfer, begründbar sein muss. In Österreich sind die amtlichen AfA-Tabellen aus Deutschland durch das österreichische Bundesministerium für Finanzen anerkannt bzw. wird sogar auf diese verwiesen. Auch hier muss sowohl in der Handels- auch in der Steuerbilanz eine Nutzungsdauer für ein Anlagegut gut begründet werden. Begründet kann eine Abweichung von den amtlichen AfA-Tabellen neben Anpassungen aus einem Einsatz unter Kälte, Nässe, Säure oder ähnlichem auch unter anderem auf Basis von Herstellerangaben, Gutachten oder eigenen historischen Daten.
Als Beispiel wird für Gabelstabler je nach Branche eine Nutzungsdauer von vier bis acht Jahren angegeben. Natürlich kann ein Unternehmen feststellen, dass die dort eingesetzten Gabelstabler vielleicht nur drei oder sogar zehn Jahre halten. Hat ein Unternehmen bisher nur drei Gabelstabler gehabt, wird eine solche Feststellung aber nur sehr schwer begründbar sein, denn dann ist die Zufälligkeit des Ergebnisses noch sehr hoch. Aus welchen Grund sollen die Gabelstabler dann nicht im Durchschnitt bspw. acht Jahre halten? Hatte ein Unternehmen aber schon mehrere Hundert Gabelstabler, muss man dagegen schon die Frage stellen, warum denn nicht auf die eigenen Daten als Erfahrungswert zurückgegriffen wird. In diesem Fall sollte dann zumindest handelsrechtlich von den amtlichen AfA-Tabellen abgewichen werden, weil die eigenen Daten offensichtlich eine Abweichung der Situation vom Industriedurchschnitt anzeigen. Steuerrechtlich kann sich der Unternehmer in Deutschland dann die anzusetzende Nutzungsdauer aussuchen. Er kann gegenüber dem Finanzamt eine andere Nutzungsdauer begründen oder die Nutzungsdauer aus dem amtlichen AfA-Tabellen ansetzen, da die Finanzämter selbst nur schwer eigenständig von diesen Tabellen abweichen dürfen¹⁾.
¹⁾ Niedersächsisches FG Urteil vom 09.07.2014 - 9 K 98/14